Veranstaltung: | Herbst-Landesmitgliederversammlung in Magdeburg |
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Tagesordnungspunkt: | 2.1. Leitantrag |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 21.11.2022, 13:40 |
Antragshistorie: | Version 1 |
L1modÜNEU: Krise? Solidarisch bewältigen! (modifizierte Übernahme von Ä1 bis Ä8)
Antragstext
Wir stecken im Moment in einer der größten Überlappungen: Klimakrise,
Energiekrise, Wirtschaftskrise. Inflation, Aufsteigen rechtskonservativer
Kräfte. Pandemie, Fachkräftemangel und Pflegenotstand. Krieg und
Krisenideologie. Wir stecken inmitten einer angeblichen Polykrise, denn alles
bedingt sich gegenseitig und ist das Ergebnis des globalen Kapitalismus, der
seit etwa einem Jahrhundert das Weltgeschehen und unseren Alltag bestimmt. In
diesen Zeiten braucht es ganzheitliche, linke Antworten. Gleichzeitig ist die
gesellschaftliche Linke durch interne Konflike und Spaltung nahezu
handlungsunfähig.
Viele Menschen wissen nicht, ob sie die nächste Gasrechnung noch bezahlen
können, ob sie bald aus der Wohnung geschmissen werden, oder ob sie sich noch
den nächsten Einkauf leisten können. Gleichzeitig entzieht die Klimakrise schon
jetzt immer mehr Menschen die Lebensgrundlage und Putin führt seinen
unmenschlichen Angriffskrieg gegen die Ukraine fort. Wir sind auch inmitten von
enorm großen Herausforderungen und müssen jetzt solidarische und gerechte
Antworten finden. Solidarisch mit der Ukraine, gerecht und entlastend für alle
und das auch mit Blick auf unsere Zukunft. Doch genau an dieser solidarischen
und gerechten Politik fehlt es an allen Ecken. Es liegt an uns für sie
einzutreten und beizutragen, die gesellschaftliche Linke als ganzes wieder
handlungsfähig zu machen.
In Ostdeutschland und Sachsen-Anhalt nehmen wir dabei eine Sonderrolle ein. Wir
leben in einem Bundesland mit extrem hoher Armutsquote - schon vor der
Inflation. Bereits 40% aller Deutschen haben keine Ersparnisse mehr. Dabei
müssen wir jedoch beachten, dass das durchschnittliche Vermögen der
Westdeutschen (ab 17 Jahren) im Jahr 2017 mit ca. 120.000 Euro mehr als doppelt
so hoch wie das der Ostdeutschen mit ca. 55.000 Euro lag. Im Jahr 2017 verfügten
die meisten jungen Erwachsenen (18 bis 25 Jahre) sowohl in West- als auch in
Ostdeutschland über geringe oder gar kein Vermögen. (1) Das bedeutet, dass
Menschen aus/in Ostdeutschland, insbesondere angesichts der steigenden
Inflationsraten, noch viel gefährdeter sind zu verarmen, als in Westdeutschland.
Es ist kein Wunder, dass diese Entwicklung immer mehr Menschen frustriert und
die von Rechten gebotenen unterkomplexen Erklärungsmuster und Feindbilder
zunehmend Anklang finden.. Sozialpolitische Maßnahmen, wie dieAnhebung des
Mindestlohns oder das Bürgergeld sindkaum mehr als ein Inflationsausgleich und
fühlen sich wie ein schlechter Witz an. Es braucht Maßnahmen, diefür ein Leben
in Würde ausreichen und sowohl kurz- alsauch langfristig existenzen zuverlässig
sichern und soziale Ungleichheit abbauen.
Niemand darf im Kalten sitzen!
Die Entlastungspakete der Bundesregierung sind unzureichend und sozial
ungerecht. Die meisten Entlastungen werden nach dem Gießkannenprinzip verteilt.
Dabei kommt bei bedürftigen zu wenig an, während Reiche überproportional
entlastet werden. Gleichzeitig ist die genaue Umsetzung vieler Maßnahmen
intransparent.
Das bedeutet: Die Landesregierung muss endlich Formen der Entlastung an die
Teile der Bevölkerung liefen, die sie wirklich brauchen.
Menschen mit geringem Einkommen, Rentner*innen, Azubis, Student*innen,
Alleinerziehende und Menschen, die Grundsicherung beziehen, dürfen nicht im
Kalten sitzen - deswegen fordern wir ein Moratorium für Strom- und Gassperren.
Wir sehen die Landesregierung in der Verantwortung, sicherzustellen, dass
niemand in menschenunwürdigen Bedingungen leben muss. Dafür müssen Stadtwerke
und andere Energieversorger einen Rettungsschirm erhalten!
Das ist jedoch nur eine kurzfristige Lösung. Um einer Energiekrise auch in
Zukunft aus dem Weg zu gehen, müssen wir die Energieversorgung sichern! Unsere
Abhängigkeit von fossilen Energien ist der Grund für die steigenden
Energiepreise und zerstört gleichzeitig unsere Lebensgrundlage. Der beste Weg,
um eine langfristige und nachhaltige Energieversorgung sicherzustellen, ist also
ein massiver Ausbau der Erneuerbaren Energien. Perspektivisch gehört die
Energieversorgung in die öffentliche Hand. Wir brauchen dezentrale
Energieversorgung in Bürger*innenhand. Weitere Privatisierung der
Energieversorgung aufgrund der aktuellen Krisensituation muss ausgeschlossen
werden!
Wohnen als Grundrecht!
Ein Moratorium hilft nicht, wenn man die eigene Wohnung verliert, weil man sie
sich nicht mehr leisten kann. Auch in Sachsen-Anhalt werden die Mieten immer
höher – Halle ist das neue Leipzig ist das neue Berlin – das bedeutet
vielleicht, dass LSA langsam attraktiver wird. Andererseits bedeutet es,
besonders im Kontext mit den Teuerungen bei Lebensmitteln, Nebenkosten uvm.,
dass immer mehr Menschen ihre Mieten nicht mehr bezahlen können. Wir fordern,
die Aussetzung von Kündigungen und Zwangsräumungen! Außerdem müssen die Mieten
vorübergehend eingefroren werden.
Rechtsextremen Narrativenentschieden entgegentreten!
Zur Landtagswahl in Niedersachsen hat die AfD ihre Prozente im Vergleich zur
letzten Landtagswahl verdoppelt. Von etwa 11% können wir in Sachsen-Anhalt zwar
nur träumen, trotzdem können wir diese Entwicklung nicht still akzeptieren und
resignieren. Im vergangenen turbulenten Jahr hätten die Grundbedürfnisse der
Menschen konsequent priorisiert werden müssen, um den gesamtgesellschaftlichen
Zusammenhalt aufrechtzuerhalten. Während der Coronapandemie gelang das nicht
immer – Eltern wurden alleine gelassen, Menschen am Rand der Gesellschaft fielen
durchs Raster, die Erhaltung und der dringend notwendige Ausbau der sozialen
Infrastruktur, bspw. der psychischen Gesundheitsversorgung, wurde ignoriert. Die
AfD profitiert davon besonders im Zusammenhang mit der Krise, da sie ein
Gegenmodell zum Status Quo bietet, das besonders für Menschen, die um ihre
Existenz bangen, attraktiv klingt und einfach zu vermitteln ist. Wie
Anschlussfähig sie dadurch ist, wird sehr anschaulich bei Demonstrationen in
Sachsen-Anhalt: Ob in Quedlinburg, Halle oder Magdeburg - bei den Protesten von
Querdenken und vergleichbaren Initiativen mit Verbindungen zur AfD, die sich
inzwischen die Energiekrise zu Eigen gemacht hat und sich als Verbündete von
Putin verstehen, sind bei Weitem mehr Demonstrant*innen als bei linken
Protesten, die für echte soziale Entlastungen auf die Straße gehen. Das kann so
nicht weitergehen! Die AfD darf nicht weiter wachsen!
Wir sagen: Genug ist genug und unterstützen dabei sowohl die Bundesinitiative
aber auch Ableger-Ortsgruppen in Sachsen-Anhalt, die ähnliche/gleiche
Ziele/Forderungen verfolgen. Alleine können wir nicht viel bewirken - nur
gemeinsam in Bündnissen können wir uns als Bewegung auf die Straße gehen und für
echte soziale Entlastungen kämpfen und dabei den Rechten den Wind aus den Segeln
nehmen!
Zudem braucht es in ländlichen Räumen mehr Beteiligungsmöglichkeiten und
Bildungsangebote, insbesondere für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.
Egal ob Jugendparlamente, Vereine oder Kulturangebote - der Unmut über die
Zustände bei jungen Menschen müssen wir in Aktivismus und Beteiligung lenken,
anstatt ihn in Frust und Enttäuschung übergehen zu lassen. So nehmen wir
Rechtspopulist*innen den Nährboden!
Umverteilung von oben nach unten!
Die soziale Ungleichheit wächst in Deutschland schon seit Jahrzehnten. Die
aktuellen Krisen wirken als Katalysatoren für diese Entwicklung. Während
hunderttausende Arbeitnehmer*innen aufgrund der Coronapandemie in Kurzarbeit
geschickt wurden und viele Selbstständige Sozialhilfe beantragen mussten,
machten Konzerne Rekordgewinne.
Während die Kaufkraft einer großen Mehrheit der Bevölkerung durch die Inflation
rapide abnimmt, steigen die Gehälter von Dax-Managern um durchschnittlich 25%.
Zwei Familien haben mittlerweile so viel Vermögen, wie 42 Millionen deutsche
Zusammen.
Auch diese Entwicklung trägt zu Perspektivlosigkeit und Frustration in großen
Teilen der Bevölkerung und damit zum Erstarken rechter und konservativer Kräfte
bei. Sie ist ungerecht und keine Gesellschaft kann sie langfristig überstehen.
Es ist höchste Zeit sie umzukehren und von oben nach unten unzuverteilen!
Neben einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes in Verbindung mit einer höheren
Einkommensgrenze fordern wir die Einführung einer Vermögenssteuer auf Vermögen
ab 1 Mio € bei natürlichen und 5 Mio € bei juristischen Personen.
Insbesondere hohe Erbschaften perpetuieren sozioökonomische Ungleichheiten.
Heute wird so viel vererbt wie noch nie. Gleichzeitig ist die Erbschaftssteuer
so leicht zu umgehen, dass vor allem Reiche meist kaum welche zahlen. Es braucht
also zusätzlich eine funktionierende und höhere Erbschaftssteuer!
Reiche sind die Hauptverursacher der Klimakrise und haben in den vergangenen
Krisenjahren besonders von staatlichen Hilfen profitiert. Um als Gesellschaft
solidarisch durch die Krise zu kommen und die sozial-ökologische Transformation
voranzubringen, müssen sie einen Teil zurückgeben. Daher fordern wir eine
Vermögensabgabe für die obersten 1%.
Um soziale Ungerechtigkeit abzubauen, reicht es nicht, nur Reiche zu besteuern.
Daher müssen diese Maßnahmen mit höheren Löhnen für die untere Hälfte der
Gesellschaft und höheren Sozialhilfen einhergehen.
Arbeitskampf heißt feministischer Kampf!
Wir solidarisieren uns mit den Gewerkschaften IG Metall, IG BCE, IG BAU, NGG,
GEW und ver.di und unterstützen sie in den bestehenden und kommenden
Arbeitskämpfen. Sie kämpfen für fairere Löhne und angemessene Tarifverträge, um
die Beschäftigten finanziell zu stärken und krisenfest zu machen. Das bedeutet
auch: Höhere Löhne für alle!
In den vergangenen 1,5 Jahren Pandemie haben wir gesehen, wie essenziell
systemrelevante Infrastruktur der Gesundheitsversorgung ist, damit die gesamte
Gesellschaft funktioniert. Dabei haben wir erneut schmerzlich feststellen
müssen, dass besonders solche Berufe in der Care-Arbeit schlecht bezahlt werden
und die Arbeitsbedingungen unzumutbar prekär sind. Da Care-Arbeit vor allem von
Frauen, lesbischen, inter, trans* und agender Personen (FLINTA*) erledigt wird –
ob bezahlt oder unbezahlt – deckt dieses System einen weiteren Unterdrückungs-
und Ausbeutungsmechanismus des kapitalistischen Patriarchats auf. Wir kämpfen
gemeinsam für die gute Gesundheitsversorgung und gute Arbeitsbedingungen. Dafür
müssen Krankenhäuser und andere Pflegeeinrichtungen zurück in die öffentliche
Hand, um sich dem Profitzwang von privaten Trägern wie Ameos zu entziehen.
Mobilität als Grundrecht für alle!
Bahnfahren ist im Moment leider zu teuer – es kann sich nicht jede Person
leisten, mal einen kleinen Ausflug nach Leipzig oder Potsdam, nach Halle oder
Magdeburg zu machen. Was wir brauchen? Die Weiterführung des 9-Euro-Tickets und
massive Investitionen in Bus und Bahn! So werden Pendler*innen zielgerichtet
entlastet, mehr gesellschaftliche Teilhabe durch bezahlbare Mobilität ermöglicht
und es wird ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Das Grundrecht auf Mobilität
hin zu einem ticketlosen ÖPNV wird so Stück für Stück Realität. Bund und Land
müssen hier also eine Nachfolgelösung zum Preis von 9 Euro im Monat anbieten –
49 Euro sind einfach zu teuer! Das sind fast 600 Euro im Jahr! Insbesondere
außerhalb der Städte muss der ÖPNV passend dazu massiv ausgebaut werden. Ziel
ist eine öffentlich organisierte Mobilität, die allen offen steht und zum Alltag
passt. Egal ob du in Halle oder Havelberg lebst und unabhängig von deinem
Geldbeutel!
Nur gemeinsam können wir es schaffen!
Wir als GRÜNE JUGEND Sachsen-Anhalt sagen: Genug ist genug! In den nächsten
Wochen und Monaten werden wir für eine soziale Krisenbewältigung kämpfen, Druck
auf die Landesregierung ausüben und für echte Entlastungen auf die Straße gehen.
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